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NS-"Wagner-Nationaldenkmal" in Leipzig Beginnt jetzt eine weltweite Puzzlesuche?

Eine Anlage aus 20 steinernen Reliefs, so groß wie ein Fußballfeld – Es sollte einmal das weltweit größte Monument für Richard Wagner werden. Bis 1945 waren alle Teile fertig. Doch aufgestellt wurde das Wagner-Nationaldenkmal in Leipzig nie. Stattdessen verschwanden die Einzelstücke in alle Welt. Nun gelangten zwei der Reliefs endlich an ihren Bestimmungsort.

Wettbewerbszeichnung von Emil Hipp zum Richard-Wagner-Denkmal, Postkarte 1933 | Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Postkarte 1933)

Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Postkarte 1933)

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Zwei mal ein Meter groß, eine halbe Tonne schwer - das ist das erste der beiden Reliefs. Zu sehen ist eine Szene aus Wagners Oper "Die Meistersinger von Nürnberg": Der Schuster Hans Sachs bei der Arbeit, mit ernstem, konzentriertem Gesicht. Das Relief ist aus hellem Kalkstein, ein bisschen porös, sieht aber im Grunde noch recht neu aus. 80 Jahre alt ist es und hing bis vor kurzem im Wohnzimmer eines Wagnerianers im bayerischen Rosenheim. Geschaffen hatte es der Bildhauer Emil Hipp für das sogenannte "Wagner-Nationaldenkmal" in Leipzig. Und dahin kehrte das Relief nun auch zurück. Die Kosten übernahm das Stadtgeschichtliche Museum und der Ortsverband des Richard-Wagner-Verbandes.

Grundsteinlegung durch Hitler

Kerstin Sieblist, Kuratorin für Musikgeschichte am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, nimmt ein weiteres Teil des Wagner-Denkmals für das Museum in Empfang. | Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Katja Etzold Kerstin Sieblist vom Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig nimmt ein weiteres Teil des Wagner-Denkmals für das Museum in Empfang. | Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig / Katja Etzold Beauftragt hatte der Leipziger Stadtrat den Bildhauer bereits 1932. Zwei Jahre später kam der sozusagen offizielle Startschuss – durch Adolf Hitler, der bekennender Wagnerianer war. Er selbst legte den Grundstein für das Nationaldenkmal. Dadurch hätte es im Grund seine Unschuld verloren, sagt Kerstin Sieblist, Kuratorin für Musik am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Deshalb wäre dann auch keiner auf die Idee gekommen, das Denkmal 1945 nach Leipzig zu holen, obwohl die Stadt es vollständig bezahlt hatte. So standen die Einzelteile nach Kriegsende auf dem Gelände eines Steinmetzbetriebs im bayerischen Kiefersfelden – bis die Firma sie in alle Winde verstreut verkaufte.

1945 kam keiner auf die Idee, das Monument nach Leipzig zu holen. Das war vom Tisch.
Kerstin Sieblist, Kuratorin für Musik am Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig

Langfristige Perspektive für Leipzig

Der Privatmann aus Rosenheim hatte damals nicht nur das Hans-Sachs-Relief erworben, sondern auch noch ein erheblich größeres mit einem Gewicht von 2,8 Tonnen, das eine Szene aus Wagners "Siegfried" zeigt: Zu sehen ist Siegfried mit weit ausgebreiteten Armen, in der rechten Hand noch sein Horn, den Feuerring durchschreitend – und in halb liegender, halb sitzender Pose Brünnhilde. Auch dieses Relief konnte Leipzig jetzt erneut kaufen.

Emil Hipp bei der Arbeit am Richard-Wagner-Denkmal in Kiefersfelden (Zeitungsausschnitt) | Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Emil Hipp bei der Arbeit am Richard-Wagner-Denkmal in Kiefersfelden (Zeitungsausschnitt) | Bildquelle: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Für Helmut Loos, Musikwissenschaftler und Vorsitzende des Leipziger Richard-Wagner-Verbands, ist es ein großes Anliegen, die besondere Geschichte der Wagner-Rezeption in Leipzig zu dokumentieren. Dass Leipzig das Relief nun erwerben konnte, freut ihn sehr. Aufgestellt wird es erstmal auf dem Gelände des Kulturguts in Ermlitz, 15 km von der Messestadt entfernt. Der Ort ist historisch begründet. Erbauer des Hauses war der Leipziger Ratsherr August Apel, mit dessen Sohn Theodor der junge Richard Wagner befreundet war. Er hat ihn mehrmals in Ermlitz besucht.

Wir müssen die besondere Geschichte der Wagner-Rezeption in Leipzig dokumentieren.
Helmut Loos, Musikwissenschaftler und Vorsitzende des Leipziger Richard-Wagner-Verbands

Das Walküre-Relief soll aber langfristig gesehen – so wünschen es zumindest die Mitglieder des Leipziger Wagner-Verbandes – dort aufgestellt werden, wo es einmal vorgesehen war: auf dem Gelände des nicht verwirklichten Denkmals. In zwei Jahren plant man im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig eine Ausstellung zum Thema "Musikstadt Leipzig in der NS-Zeit". Dabei sollen dann die beiden Steinreliefs in ihrem historischen Kontext ausführlich beleuchtet werden. Einige weitere Einzelteile des Monuments stehen übrigens im Garten der Villa Wahnfried in Bayreuth. Ob das Denkmal jemals vollständig nach Leipzig gelangt und dort zusammengesetzt werden wird, ist unklar.

Sendung: "Allegro" am 15. Januar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Dienstag, 19.Januar, 14:38 Uhr

Marcus Vitolo

Wagnerdenkmal

Bei allem Respekt, ich finde es absolut unangebracht ein von Hitler befeuertes Projekt umzusetzen. Sollen die Stelen bleiben wo sie sind.Mag Wagners Musik und Theaterkunst bewundernswert sein, er war ein Antisemit, seine zu Schrift gebrachten Gedanken waren Konzentrat, Keim und Ursprung einer unheilbringenden, perversen und unmenschlichen weltpolitischen und gesellschaftlichen Katastrophe. Gerade in Sachsen sollte man es vermeiden einer grassierenden faschistischen-rechten Denke einen Versammlungsort zu geben.

Samstag, 16.Januar, 15:59 Uhr

Reiner Kersten

Beginnt jetzt eine weltweite Puzzleduche?

Es ist noch Fehler in dem Bericht unterlaufen. Es gibt keine weiteren Einzelteile des Monuments im Garten des Hauses Wahnfried in Bayreuth. Es existieren in Bayreuth lediglich nur die beiden Reliefs in der Stadtmauer.
Mit freundlichen Grüßen
Reiner Kersten

Freitag, 15.Januar, 21:52 Uhr

Dr. Claudia Maué

Leipziger Wagnerdenkmal "Piazza" 15. 1.

Meine Kritik bezieht sich ausdrücklich nur auf den gesendeten Beitrag, der mir angesichts des ernsten Themas insofern unangemessen vorkam, weil die Moderatorin einen ausgesprochen flapsigen Ton anschlug und die Sache ziemlich oberflächlich dargestellte. Es wurde überhaupt nicht kritisch hinterfragt, daß hier Nazikunst von einer öffentlichen Institution (Museum), also mit Steuermitteln, angekauft wurde (zu welchem Preis?), um sie möglichst am von Hitler persönlich ausgewählten Ort aufzustellen. In Zeiten, in denen hier in Nürnberg der angemessene Umgang mit den - nicht extra angekauften, sondern vorhandenen! - Relikten der NS-Zeit kontrovers diskutiert wird und man in Berlin die Entfernung der Statuen des Olympiastadions erwägt, dürfte man es sich in eipzig nicht so einfach machen, wie der gesendete Beitrag befürchten lässt.

Freitag, 15.Januar, 08:57 Uhr

Dr. Wilfried Kornauth

peinlicher Fehler

Der Verfasser des obigen Artikels ist offensichtlich kein "bekennender Wagnerianer", sonst wäre ihm nicht der Fehler unterlaufen, die geschilderte Szene in die Walküre zu verorten, wobei diese erst im Siegfried stattfindet. In der Walküre spielt Siegfried mit seinem Horn
noch gar nicht mit.
Mit freundlichen Grüßen
W. Kornauth

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